Weihnachten in Schweden – tief verschneite Wälder, tausende Lichter in den Fenstern und der Duft von Zimtschnecken und Glögg. Soweit das Klischee. Doch die Schweden lassen das Weihnachtsfest viel relaxter angehen, als wir Deutschen oft denken. Ein fröhlicher Glögg zum Frühstück, Donald Duck am Nachmittag, sehr viel Hering und dann startet der große Ausverkauf. Wir feiern ein etwas anderes Weihnachtsfest in Schweden.
Schwedische Weihnacht – es ist unser erstes Weihnachten beim schwedischen Teil der Familie in Lund. Schon beim Gedanken diesmal nicht zu Hause zu feiern, entspannen wir uns merklich. Wir Deutschen übertreiben es ja gern mal mit der Besinnlichkeit. Weihnachtsmärkte an jeder Ecke, Geschenke werden aufgetürmt und die Klöße dampfen. Gern endet der Abend auch mal in einem handfesten Familienkrach.
Nun also Schweden mit der ganzen Familie. Das Beste daran – wir müssen uns an keine Traditionen halten. Schließlich sind wir hier nur Zaungäste.
Frühling am Heiligabend in Schweden

Frühlingshaftes Wetter am Heiligabend im Botanischen Garten in Lund
Am Weihnachtsmorgen wachen wir bei frühlingshaften und nicht sehr skandinavischen 15 Grad auf. Weit und breit kein Schnee. Nur recht dunkel ist es, maximal 5 Stunden Sonnenlicht gibt es hier um diese Jahreszeit. Aber das Klischee stimmt, in allen Fenstern werden Kerzen aufgestellt, eine der großen schwedischen Traditionen. Das Julfest feiert schließlich die Wiedergeburt des Lichts.
Wir schlendern durch die Kopfsteinpflasterstraßen von Lund, der gemütlichen Universitätsstadt in Skåne. Ganz schön deutsch, denken wir beim Anblick der weihnachtlich geschmückten Altstadt mit ihren vielen Fachwerkhäusern.
Weihnachten in Schweden – Relax!

Ein Schaufenster zum Thema Weihnachten in Schweden
Doch: same same but different. Keine Spur von Weihnachtskitsch hier in Schweden. Die Weihnachtsdeko hier ist deutlich dezenter und – man muss es einfach sagen – etwas geschmackvoller als bei uns. Man sieht auch keine gehetzten Blicke von Familienvätern, die noch panisch Geschenke für die Familie besorgen müssen. Last-Minute-Geschenke-Hektik braucht der Schwede offenbar nicht.
Wir beschließen im altehrwürdigen Grand Hotel am Bantorget einzukehren. Viele Restaurants und Cafés sind heute nicht geöffnet. Aber es gibt sehr viele Sonderangebote in der Weihnachtszeit. Im Grand Hotel mit seiner wunderschönen Jugendstil-Lobby kann man jetzt für einen Spottpreis übernachten. Die Studentenstadt ist in den Ferien so gut wie leergefegt.

Die Altstadt von Lund am Heiligabend – fast leergefegt.
Weihnachten in Entenhausen
So richtig leer wird es aber am Nachmittag, denn da sitzen alle Schweden vor dem Fernseher. Doch hier schaut man keine Märchenfilme oder Weihnachtskonzerte. Nein – in jedem, und wirklich jedem schwedischen Wohnzimmer schaut man jetzt Donald Duck, der hier Kalle Anka heißt.
Seit den 60er Jahren haben die Filme die höchsten Einschaltquoten des Jahres in Schweden. Nur einmal, in den 80er Jahren, änderte der Sender die Reihenfolge der Episoden, was einen wahren Proteststurm im ganzen Land zur Folge hatte. Gleich am nächsten Tag wurden alle Filme noch einmal in der richtigen Reihenfolge ausgestrahlt. Da versteht der Schwede keinen Spaß! Es gibt sogar eine Donald Duck-Partei, die kostenlosen Alkohol und breitere Gehwege in Schweden fordert.
Engelsstimmen im Dom zu Lund

Heiligabend im Dom zu Lund
Am Abend stehen wir vor dem mächtigen, tausend Jahre alten Dom zu Lund, dem ältesten Dom Skandinaviens. Jetzt wird es richtig nordisch. Vor der Mitternachtsmesse begrüßen sich alle lautstark, Kinder tollen umher und die Jugendlichen surfen mit ihren Smartphones. Doch als der Chor zu singen beginnt, wird es muxmäuschenstill in den alten Mauern. Glasklar und engelsgleich – Gänsehaut-Moment!
Im Musik-verrückten Schweden ist Chor-Singen Volkssport. Noten lesen lernt hier jedes Kind. Selbst der kleinste Dorfchor eifert dem “schwebenden Klangideal” des Altmeisters Eric Ericsson auf höchstem Niveau nach. Ein Erlebnis!
Schwedische Weihnachtsparty
Auf dem Heimweg in unser gutbürgerliches Viertel begegnen uns jetzt viele auffällig lachende Grüppchen. Weihnachten ist zusammen mit Mittsommer das Fest, an dem man in Schweden schon den Morgen mit einem Bier oder einem Glögg einläutet. Wie wir spätestens jetzt merken: die Schweden nehmen Weihnachten bei weitem nicht so ernst wie wir. Im Laufe der heiligen Nacht sehen wir nicht nur einen Weihnachtsmann um die Ecke torkeln. Aus allen Häusern hört man Musik und Gelächter. Ist der Heiligabend in Schweden eher ein Party-Termin?
Hummer statt Gänsekeule

Ein Tag am Meer – Lomma bei Lund am ersten Weihnachtsfeiertag
Auch die in Deutschland exzessiv zelebrierten Weihnachtsfeiertage gestalten sich in Schweden völlig unprätentiös. Statt ins Gänsekeule-mit-Rotkohl-Koma zu verfallen gibt es in Schweden am Feiertag – natürlich – Fisch. Und den kauft man hier in Lund fangfrisch am Meer, im nur ein paar Kilometer entfernten Lomma.
Bei bestem englischem Wetter mit leichtem Nieselregen geht es an den Strand. Hier lässt man sich eine frische Brise um die Ohren pfeifen und sucht sich im fabelhaften Fiskboden den besten Lobster und leckersten Heringssalat aus.
Kaufrausch!
Doch der Kulturschock schlechthin ereilt uns am zweiten Weihnachtsfeiertag. Jetzt ist es vorbei mit der Gemütlichkeit. Schon am Morgen sieht man ganze Familien in die Stadt und die vielen Einkaufszentren eilen. Denn heute beginnt der Jul REA, der große Weihnachtsausverkauf.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag startet der große Kaufrausch – Jul REA!
Im modebewussten Schweden heisst das: erstklassige, topaktuelle skandinavische Designermode, die erst in ein paar Jahren auf deutschen Straßen zu sehen sein wird. Midcentury-Möbel die in Berlin ein Vermögen kosten. Schuhe aus butterweichem Leder. Und alles zu unschlagbaren Traumpreisen! Wir verfallen schlagartig in den Kaufrausch unseres Lebens. Schade dass wir nur Handgepäck gebucht haben.
Weihnachten kann so schön und einfach sein.
Mehr Schweden:
Mehr Winter-Reiseideen:
Fotos: The Golden Gecko
Schreibe einen Kommentar